Auszeit by Münchhausen Marco von

Auszeit by Münchhausen Marco von

Autor:Münchhausen, Marco von [Münchhausen, Marco von]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-06T16:00:00+00:00


Fragen zum Nachdenken

Wie geht es mir, wenn andere mich belehren wollen, mir den »richtigen Weg« weisen wollen?

Wann bin ich selbst versucht, anderen zu sagen, wo es langgeht, was richtig und was falsch ist?

|124|Habe ich für mich schon meinen Weg und die zu mir passenden Möglichkeiten herausgefunden, innerlich erfüllt zu leben?

|125|Vielfalt der Persönlichkeit

Immer wieder haben Menschen den Versuch unternommen, sich selbst und andere zu typisieren und dabei auf Grundcharaktere zu reduzieren – meist mit dem Ziel, die menschliche Persönlichkeit besser zu verstehen und beschreiben zu können. Nicht nur Philosophen und Psychologen haben die Geistesgeschichte des Abendlandes mit unzähligen Typisierungsmodellen angereichert, auch die großen Dichter stellten ihre handelnden Personen immer wieder als scheinbar einheitliche Charaktere dar. Vor allem in den Dramen der Theaterwelt tritt jede Figur mit einer ganz bestimmten Grundeigenschaft auf – oder zumindest mit zwei widerstreitenden Grundtendenzen, wie beispielsweise Goethes Faust, wenn er seine berühmten Worte spricht: »Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.« Entsprechend schildert auch Hermann Hesse die Hauptfigur Harry seines Romans Der Steppenwolf. In ihm lebt zum einen ein »Mensch«, der sich in einer Welt von Gedanken und Gefühlen, von Kultur sowie von gezähmter und sublimierter Natur äußert, und daneben lebt andererseits auch noch ein »Wolf«, stellvertretend für eine dunkle Welt von Trieben, von Wildheit, Grausamkeit und archaischer roher Natur. Doch trotz dieser Typisierung, die das ganze Buch durchzieht, ist sich Hesse der Begrenztheit und Relativität all solcher Schematisierungen und Reduzierungen des Menschen auf eine oder wenige Grundcharaktereigenschaften bewusst, und stellt dies auch klar:

|126|Die Zweiteilung in Wolf und Mensch, in Trieb und Geist, durch welche Harry sich sein Schicksal verständlich zu machen sucht, ist eine sehr grobe Vereinfachung, eine Vergewaltigung des Wirklichen zugunsten einer plausiblen, aber irrigen Erklärung der Widersprüche, welche dieser Mensch in sich vorfindet. (…) – Denn kein einziger Mensch (…) ist so angenehm einfach, dass sein Wesen sich als die Summe von nur zweien oder dreien Hauptelementen erklären ließe; und gar einen so sehr differenzierten Menschen wie Harry mit der naiven Einteilung in Wolf und Mensch zu erklären, ist ein hoffnungslos kindischer Versuch. Harry besteht nicht aus zwei Wesen, sondern aus hundert, aus Tausenden. Sein Leben schwingt (wie jedes Menschen Leben) nicht bloß zwischen zwei Polen, etwa dem Trieb und dem Geist, oder dem Heiligen und dem Wüstling, sondern es schwingt zwischen Tausenden, zwischen unzählbaren Polpaaren. (…) – In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das naivste, eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner Sternenhimmel, ein Chaos von Formen, von Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten. (…) Als Körper ist jeder Mensch eins, als Seele nie.



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